Wonder Woman General Ludendorff und das perfide Albion

Versuch einer Filmkritik

von Michael Huck

Vor wenigen Wochen trat der neue Wonder Woman Spielfilm seinen Siegeszug um die Welt an. Die Regisseurin Patty Jenkins liefert ein Feuerwerk an Action, grandiosen Bildern, einem brillianten Drehbuch, das andere Comic-Verfilmungen weit hinter sich lässt, in der Hauptrolle die gleichermassen attraktive wie charismatische israelische Schauspielerin Gal Gadot, die das Kunststück fertig bringt in der Rolle von Wonder Woman ebenso zu überzeugen wie damals Lynda Carter in der gleichnamigen TV Serie.

 

Der Film mischt Comic-Buch Realität mit Propanda und Geschichte, während Wonder Woman eine Comic Buch Figur ist, basiert der Charakter von General Ludendorff auf den echten deutschen General Ludendorff, der sich von der Comic Figur recht deutlich unterscheidet und von dem hier vor der eigentlichen Betrachtung des Filmes ein Zitat vorangestellt werden soll; unmittelbar nach Ende des 1. Weltkrieges behauptete Ludendorff, geheime Gesellschaften, die sogenannten „überstaatlichen Mächte“ hetzen die Völker zu ihrem eigenen Vorteil in Kriege. Wörtlich schrieb Ludendorff: „Selbstverständlich machten sich die überstaatlichen Mächte die in den Völkern vorhandenen Regungen des Selbsterhaltungswillens und vorhandenes Machtwollen zu Nutze, sie arbeiteten mit den Schwächen der Regierenden. Völker wurden gegen Völker, Volksgruppen gegen Volksgruppen, Sippen gegen Sippen, Menschen gegen Menschen gehetzt, ohne daß sie ahnten, wozu sie sich mißbrauchen ließen…“

 

Nun zu Patty Jenkins Film, der Film beginnt in Paris und wir hören Wonder Woman´s Stimme aus dem Off, die über das Böse in der Welt spricht, während die Kamera uns die gläserne Maurer-Pyramide zeigt.

Gleich darauf wird die eigentliche Geschichte des Filmes in einer Rückblende erzählt und wir sind auf der Paradies-Insel der Amazonen, die in einem vor-christlichen Matriachat leben, Amazonen, die das Gute selbst verkörpern und von Kindesbeinen an lernen, das Gute mit..brutalster Gewalt durchzusetzen.

Der Film unterscheidet sich hier gleich in mehreren Punkten von William Moulton Marston´s Comic-Buch Reihen. In den Comics spielte die Handlung im zweiten Weltkrieg, Wonder Woman kämpft an der Seite von Steve Trevor gegen Hitler und die Nazis. William Moulton Marston, ein brillianter Showman mit fundierten Kenntnissen in Psychologie und Psychologie der Massen, und definitiv ein Bruder im Geiste des legendären John Willie, schuf mit Wonder Woman eine weibliche Superheldin von ähnlicher Klasse wie Superman oder Batman, allerdings mit wesentlich mehr Tiefe – was auch diesem Film zu Gute kommt – und einem geradezu atemberaubenden Fetish für Bondage Szenen, die in der TV-Serie mit Lynda Carter noch bewußt zelebriert wurden, während dieser in den Comics dominierende Aspekt fast völlig aus dem Kinofilm verbannt wurde.

Die eigentliche Geschichte beginnt, als der US-Pilot Steve Trevor ins Meer fällt, verfolgt von kaiserlichen deutschen Marine-Soldaten, die umgehend die Paradies-Insel attackieren und sich eine wüste Schlacht mit den Amazonen liefern.

Der US Soldat Steve Trever erklärt (ua in einer Rückblende INNERHALB der Rückblende), dass die Welt sich im Krieg mit dem Deutschen Kaiserreich befindet, das das Böse in der Welt schlechthin personifiziert und deswegen von den guten, demokratischen Nationen wie England, Frankreich, den USA und dem zaristischen Russland (alles Länder, die in Sachen Demokratie, Menschenrechte, Rassenunterdrückung und Kolonialsmus selbst äußerst Zwielichtiges geleistet haben) unbedingt besiegt werden muss, in einem Krieg, der alle Kriege beenden wird.

Die Amazonen vermuten, daß sich hinter dem Krieg in Wirklichkeit der Vater aller Kriege, der durch und durch bösartige Gott des Krieges – Ares -verbirgt, und Wonder Woman, ausgerüstet mit Schild, Lasso und Schwert, macht sich auf, Steve Trevor nach Europa zu begleiten, um das Böse zu bekämpfen.

Die aktuelle Kriegslage ist dabei diese: Im Jahr 1918 stehen die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen der Entente und dem deutschen Reich unmittelbar bevor. Das deutsche Kaiserreich ist mit dem Osmanischen Reich verbündet, wobei darüber hinaus ein persönliches Bündnis des deutschen Kaisers mit dem Islam besteht. Bereits mehrere Jahre vor Ausbruch des ersten Weltkrieges erklärte Kaiser Wilhelm in einer Rede in Damaskus: „Möge der Sultan und mögen die 300 Millionen Mohammedaner…dessen versichert sein, daß zu allen Zeiten der deutsche Kaiser ihr Freund sein wird.“

Enter Ludendorff – als Filmfigur (die mit dem wirkliche  Ludendorff nichts zu tun hat) aber weitgehend der (falschen) Propaganda entspricht, die bis heute über den General verbreitet wird und die sich der Film vortrefflich zu Nutze macht um einen überdimensionalen Filmbösewicht zu erschaffen. So wird Ludendorff als kriegslüsterner Militarist eingeführt, der nebenbei Menschen erschießt, die ihn nur mal schief ansehen und der mit seiner Komplizin, der unheimlichen Chemikerin Dr. Poison, der das halbe Gesicht weggesprengt wurde und die trozdem ausgesprochen schön rüberkommt und deren sichtliche Verletzbarkeit in krassem Gegensatzu zu ihren (Un-) Taten steht, eine letzte Große Attacke plant um den Frieden zu verhindern. Ludendorff und Dr. Poison werden uns nun als die Schurken des Filmes präsentiert, die versuchen in letzter Minute noch die Waffenstillstandsverhandlungen zu sabotieren (in der Wirklichkeit waren es Ludendorff und Hindenburg, die seit August 1918 auf Waffenstillstandsverhandlungen drängten, was Reichskanzler und Aussenministerium unbegreiflicherweise sabotiert und verzögert haben).

 

Steve Trevor und Wonder Woman reisen nun nach England wo sie Sir Patrick, einen britischen Parlamentarier treffen, der sich für die zügige Durchführung der Friedensverhandlungen stark macht, um den furchtbaren Krieg endlich zu beenden. Mit Hilfe von Sir Patrick stellen Wonder Woman und Steve Trevor eine Gruppe von Professionals zusammen, die nach Belgien sollen um Ludendorff und Dr. Poison an der Sabotage des Waffenstillstands zu hindern. Die kleine Truppe erinnert an ähnliche Professionals aus den Filmen von Howard Hawks wie Rio Bravo oder Only Angels have Wings, ebenso wie Gal Gadots Wonder Woman in ihrer Selbständigkeit, Furchtlosigkeit und Dominanz an die Frauencharaktere in den Howard Hawks Filmen erinnert (einige der besten Action-Filme von Hawks stammen von der Drehbuchautorin Leigh Brackett).

 

Wonder Woman und ihre kleine Gruppe kommen schnell zu dem Schluß, dass Ludendorff  und der Kriegsgott Ares ein und dieselbe Person sind und der Krieg nur beendet werden kann, wenn es Wonder Woman gelingt, Ludendorff-Ares zu töten.

Das Drehbuch arbeitet nun geschickt auf mehreren Ebenen. Zum einen wird Wonder Woman als aufrechte, mutige aber (scheinbar) naive Frau aus einer Paradies-Welt vorgestellt, die die brutale Realität der Menschen-Erde mit ihrem gutmüten Wesen gar nicht zu erfassen vermag. Als sie ihren verblüfften Gefährten erklärt, daß die Deutschen ebenso gute Menschen sind wie die anderen Völker, gab es in der Vorstellung, die ich besuchte, irritiertes Gelächter.

In einer anderen Szene unterhält sich Wonder Woman mit einem Indianer, der ihr erklärt, daß er einem Volk angehört, dem alles geraubt wurde. Als Wonder Woman nachfragt, wer denn das böse Volk war, das sein Volk beraubt hat, zeigt der Indianer auf Wonder Woman´s US-Amerikanischen Freund Steve Trevor und sagt „Das war sein Volk.“ worauf Wonder Woman erste Zweifel an den Behauptungen und der Propanda der Entente einen Krieg zu führen, der alle Kriege beendet, kommen.

Ludendorff wird nun als dermaßen abgrundtief böser Schurke dargestellt, wobei der Film bewußt die Propaganda-Darstellung der Entente des 1. Weltkrieges aufgreift und diese noch bis ins Unerträgliche steigert um aus Ludendorff einen Über-Psychopathen zu machen, gegen den Batman´s „Joker“ eine Art Sympathieträger ist.

Wonder Woman setzt nun alles daran, in Ludendorff´s Nähe zu kommen und in ebenso witzigen, sarkastischen und actiongeladenen Szenen schafft sie es schließlich Ludendorff zu töten. Als aber nach Ludendorffs Tod der Krieg unvermindert weitergeht, kommt ihr der Verdacht, den falschen Mann getötet zu haben und sie zweifelt, daß Ludendorff tatsächlich Ares war.

Sie bricht mit ihren amerikanischen und britischen Verbündeten und WEIGERT sich mit ihnen erneut gegen die Deutschen zu kämpfen, da ihr der Verdacht kommt, daß ihre Entente Freunde auch nicht besser sind.

In einem erstaunlichen Twist in den letzten Filmminuten taucht nun plötzlich die scheinbar so harmlose Gestalt des friedliebenden britischen Politikers Sir Patrick auf, der sich schnell als der wirkliche Ares – Gott des Krieges – entpuppt. Und jetzt zieht der Film wirklich ALLE Register und zeigt daß das Drehbuch jede naive Comic-Buch Philosophie beiseite wischt und knallharte Politik durch den Nebel bricht: Auch nachdem Sir Patrick Helm und Rüstung trägt und zum übergroßen Kriegsgott Ares mutiert, ist unter dem Helm des Ares das Gesicht des britischen, friedenheuchelnden Politikers Sir Patrick zu sehen, oder wie Kaiser Wilhelm das sagen würde, die Fratze des perfiden Albion. Und das Unglaubliche passiert in diesen letzten Minuten des Filmes, bringt dieser Film tatsächlich allen Ernstes die Botschaft herüber, daß hinter den Kriegen eine verborgene Macht steht, die die Völker und Menschen gegeneinander aufhetzt, die Comic-Verfilmung beinhaltet also die GLEICHE Botschaft, wie wir sie von dem ECHTEN General Ludendorff gehört haben.

Und hier ist dann auch der nächste Twist der Story: Wenn also nicht der als Propaganda-Schurke präsentierte Ludendorff der Gott des Kriegs ist, sondern der vermeintliche Friedenspolitiker Sir Patrick, was bedeutet das denn für Ludendorff, der zuvor Sir Patrick bekämpfte – also genaugenommen auf der Seite Wonder Womans gegen Ares kämpfte, während ihr US-Amerikanischer Freund Ares – das perfide Albion – also DAS BÖSE unterstützte?

Um zu begreifen, was hier wirklich passiert, sollte man nun einen etwas genaueren Blick auf den WIRKLICHEN Ludendorff werfen:

Ludendorff galt als einer der fähigsten Soldaten des deutschen Generalstabes. Dennoch wurde er 1912 aus dem Generalstab geworfen und in die Provinz versetzt, nachdem er sich mit dem Kriegsministerium angelegt hatte und behauptet hatte, die Politik würde die Armee systematisch boykottieren. Zu Beginn des 1. Weltkrieges setzte sich Ludendorff unaufgefordert an die Spitze an der Westfront, führte Angriffe in der ersten Reihe an und brachte die stärkste Festung Europas, die Festung von Lüttich in seine Gewalt, ohne dabei einen Menschen zu töten. Ludendorff erstaunte danach 4 Jahre lang, indem er und Hindenburg gegen eine je nach Front drei- bis neunfache Übermacht an feindlichen Soldaten aussergewöhnlich geschickt operierten. Nach dem Krieg drängte Ludendorff immer wieder auf Klärung der Kriegsschuldfrage und behauptete immer wieder, daß in Geheimlogen zusammengeschlossene Eliten die Völker in Kriege führen zum eigenen Vorteil dieser Eliten, die eine One-World-Diktatur anstreben würden. Ab 1929 beschuldigte Ludendorff Hitler öffentlich in Reden und Zeitungsartikeln seiner eigenen Zeitung „Ludendorffs Volkswarte“ Hitler werde Deutschland an der Seite Mussolinis in einen zweiten Weltkrieg führen, dessen Ziel die Zerstörung Europas sei um dann aus diesem zerstörten Europa eine neue paneuropäische Diktatur zu errichten, in dem die Völker aufgelöst und und als willenlose Masse von einer machtgierigen Elite ausgebeutet werden. Ludendorff attackierte Hitlers Politik völlig offen, forderte Hindenburg mehrmals auf, die Nazi-Regierung zu verhaften und abzusetzen und Mitte der 30er Jahre schickte Ludendorff einen Sekundanten zu Dr. Goebbels um diesem eine Duell-Forderung zu überbringen (Goebbels lehnte ab). Ludendorff, der im ersten Weltkrieg die Gleichstellung der Juden in den von deutschen eroberten Gebieten durchsetzte, kritisierte später auch die Nazis in seiner Zeitung „Ludendorffs Volkswarte“ als die Nazis jüdische Geschäfte boykottierten und Juden die Staatsbürgerschaft absprechen wollten. Ludendorffs Tannenbergbund (der später von den Nazis verboten wurde) ging ein Bündnis mit der jüdischen Kna´anim Bewegung ein, Anfang der 30er Jahre zu spät um noch wirksam politisch tätig zu werden.

Ludendorff und Wonder Woman haben also jeder auch gegen die Nazis gekämpft, Wonder Woman in den Comic Heften, Ludendorff in der Realität, wobei Ludendorffs Kampf gegen die Nazis heute gerne verschwiegen wird, da man damit untrennbar verbunden auch seinen eigenwilligen Kampf gegen Pan-Europa erklären müsste, wofür derzeit politisch gewiss kein Interesse besteht.

Eine weitere interessante Gemeinsamkeit zwischen Wonder Woman und Ludendorff ergibt sich aus dem Kampf von Ludendorff und seiner Frau Mathilde gegen das Christentum ua mit Schriften wie „Erlösung von Jesu Christo“ in denen Frau Ludendorff den Deutschen rät zu germanischen Vorstellungen von Recht und Freiheit zurückzukehren und so in einer Gesellschaft zu leben, nicht unähnlich den Gesetzen auf der Amazonen Paradies-Insel.

Festzuhalten bleibt, daß Ludendorffs Botschaft von den überstaatlichen Mächten, die Völker gegeneinander aufhetzen und in Kriege führen, der Botschaft des Filmes, die Völker werden von einer geheimen bösen Macht (die erstaunlicher Weise recht angelsächsische Züge trägt) sehr nahe kommt. Was wollen uns also die Autoren des Filmes damit sagen???

Ludendorff mit Pickelhaube

 

Ein Gedanke zu „Wonder Woman General Ludendorff und das perfide Albion“

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