
In ZDF-History präsentierte Guido Knopp eine Dokumentation mit dem Titel „Die sieben größten Lügen der Weltgeschichte“, die in sich selbst schon wieder dermassen viel Unsinn enthielt, dass es sich lohnt einmal mehr genauer hinzusehen.
Nun ist es schon interessant, WAS man uns da als die angeblich 7 größten Lügen der Weltgeschichte auftischt, ua anderem nämlich die Lügengeschichten, die US Präsident Clinton über seine Afffäre mit seiner Praktikantin zum Besten gab. Kaum zu glauben, dass sich bei gerade mal „7 größten Lügen der Weltgeschichte“ nichts dramatischeres als Clintons Bettabenteuer gefunden haben sollen.
Ebenfalls mit dabei natürlich mal wieder die „Dolchstoßlegende“. Dieser Beitrag ist dann auch gleich so erbärmlichst „recherchiert“, dass man sofort merkt, dass das Ganze irgendwo aus Zweit- und Dritt-Texten zusammengeschustert ist und dass die „History“-Leute es offensichtlich für völlig überflüssig halten, sich einmal die ORIGINAL-QUELLEN anzusehen, erkennbar schon daran, das aus Erich Ludendorff mal wieder der Erich VON Ludendendorff gemacht wird, weil sich G. Knopp und Co offensichtlich nicht vorstellen können, dass es im Kaiserlichen Deutschland einen Offizier gab, der NICHT adelig war.
So werden uns dann mal wieder Hindenburg und Ludendorff als die Urheber der „Dolchstoß-Legende“ präsentiert und History erklärt, dass die bösen Kaiserlichen OHL-Chefs seit der Frühjahrsoffensive 1918 wussten, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war, aber erst Ende September 1918 die Politik informierten und aufforderten, Waffenstillstand zu schließen.
Auch hier sieht man, dass das History-Team Original-Quellen fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Hätten sich diese Leute einmal die Original-Quellen angesehen, wüssten sie, dass die Frühjahrsoffensive 1918 nämlich ein enormer Erfolg war, die Entente – trotz der US Hilfe – an den Rand einer Niederlage brachte und Marechal Foch noch Anfang Juli 1918 die Entente-Politiker drängte, den US Präsidenten um die Entsendung von noch mehr Truppen anzuflehen, da sonst die Deutschen die Entente-Truppen schlagen würden. Sowohl Foch als auch Ludendorff haben nach dem Krieg immer wieder erklärt, dass die Ereignisse am 8. August 1918 für beide Seiten Klarheit schafften, nämlich, dass Deutschland nicht mehr die Kraft hatte, die Entente-Linien zu durchbrechen. Umgekehrt gaben die Entente-Generäle nach dem Krieg zu, dass sie damit rechneten, die deutschen Truppen in den folgenden Monaten über den Rhein zurückzudrängen, aber keine Idee hatten, wie sie ihrerseits den Rhein überqueren konnten und den Krieg nach Deutschland tragen konnten, da sie ihre Truppen als zu schwach ansahen für eine Rhein-Überquerung.
Ludendorff selbst legt den Niedergang der deutschen Kampfkraft schonungslos offen in seinen bereits 1919 erschienen Kriegserinnerungen und erklärt, ab dem 08.August 1918 war der Krieg für Deutschland nicht mehr zu gewinnen aufgrund der wachsenden militärischen Stärke der Entente insbesondere durch den grenzenlosen Nachschub aus den USA:
Ludendorff (1919) in „Meine Kriegserinnerungen“:
Der 8. August ist der scharze Tag des deutschen Heeres in der Geschichte dieses Krieges…Am 8. August früh, bei dichtem Nebel, der noch durch künstlichen verstärkt wurde, griffen Engländer, vornehmlich mit australischen und kanadischen Divisionen und Franzosen zwischen Albert und Moreuil mit starken Tankgeschwadern, im übrigen aber mit keiner großen Überlegenheit an. Sie brachen zwischen Somme und Luce-Bach tief in unsere Front ein. Die dort stehenden Divisionen ließen sich vollständig überrennen…Ich gewann bereits in den ersten Vormittagsstunden des 8. August ein vollständiges Bild der Lage. Es war sehr trübe…Der auf das Schlachtfeld entsandte Generalstabsoffizier hatte mir den Zustand der von dem Angriff am 8. an erster Stelle getroffenen Divisionen derart geschildert, daß ich tief betroffen war…Der 8. August brachte Klarheit für beide Heeresleitungen, für die deutsche wie für die feindliche, für mich ebenso wie nach seiner eigenen Feststellung in der „Daily Mail“ für General Foch. Der große Entente-Angriff, der Endkampf des Weltkrieges, begann und wurde vom Gegner nun mit größter Energie durchgeführt, je deutlicher unsere Niederlage für ihn erkennbar wurde…Sobald ich vollen Einblick in alle Verhältnisse hatte, die der 8. August gebracht, beschloß ich so früh als möglich die Aussprachen mit dem Reichskanzler und dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes herbeizuführen. Sie fanden bereits am 13. und 14. August in Spaa statt…Der Kaiser war sehr ruhig, er pflichtete dem Staatssekretär von Hintze bei und trug ihm auf, eine Friedesvermittlung möglichst durch die Königin der Niederlande einzuleiten…“
Ludendorff blieb bis zu seinem Lebensende 1937 in Interviews und Schriften bei dieser Ansicht. Aus Ludendorffs Buch sowie aus den Protokollen und Aussagen der Teilnehmer der Besprechungen vom 13. und 14. August 1918 ergibt sich eindeutig, dass Hindenburg und Ludendorff Kaiser und Politik darüber aufgeklärt haben, daß der Krieg nicht mehr zu gewinnen war und daß Friedensverhandlungen geführt werden müßten.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Deutschland bereits einen Friedensvertrag (als Sieger) an der Ostfront geschlossen und an der West-Front standen die Deutschen Truppen noch immer weit in Feindesland und konnten nochmals direkt Paris bedrohen und beschießen, die Französische Regierung bereitete noch im Juli 1918 die Evakuierung von Paris vor. Ludendorff und Hindenburg drängten Reichskanzler und Auswärtiges Amt bereits am 14. August, Friedesverhandlungen mit der Entente einzuleiten über das Neutrale Holland. Die OHL argumentierte völlig zu Recht, dass die Deutsche Reichswehr sich noch auf Monate auf feindlichem Boden halten könne und es die Entente Hundertausende von Toten kosten würde, dieses Gebiet zurückzuerobern. Es wäre der Bevölkerung der Feindstaaten kaum zu vermitteln, warum sie dieses Opfer bringen sollten, wenn sie andererseits einen anständigen Friedensvertrag haben könnten.
Was dann passierte ist in der Tat ungeheuerlich: Der Reichskanzler trat zurück und erklärte, er stände für solche Friedensverhandlungen nicht zur Verfügung und der neue Reichskanzler und das Auswärtige Amt zogen die Vorbesprechungen mit den Niederlanden endlos in die Länge, bzw taten gar nichts und ließen schließlich die Katze aus dem Sack, man wolle lieber mit dem US Präsidenten Wilson direkt verhandeln. Eine größere Dummheit kann man sich schwer vorstellen. Anstatt mit der Entente auf NEUTRALEM Gebiet in den Niederlanden zu verhandeln und – wie in der Kriegsgeschichte üblich – die Truppen während des Waffenstillstandes stehen zu lassen – fädelte Max v. Baden es so ein, dass mit Wilson direkt verhandelt werden sollte AUF ENTENTE-Gebiet !!!! und die Reichswehr ihre Truppen einseitig aus den besetzten Gebieten abziehen sollte. Hindenburg und Ludendorff protestierten und erklärten den Politikern, daß die besetzten Gebiete DIE EINZIGE TUMPFKARTE WAREN, DIE DEUTSCHLAND IN DEN WAFFENSTILLSTANDSVERHANDLUNGEN HATTE – im übrigen eine SEHR GUTE TRUMPFKARTE. Der neue Reichskanzler Max v. Baden setzte mit einer Intrige die Entlassung Ludendorffs beim Kaiser durch, gab dann DIE GAR NICHT ERFOLGTE ABDANKUNG DES KAISERS bekannt und übergab das Reichskanzleramt dann an Friedrich Ebert, dem er vorlog, die Entente sei bereit einen Frieden auf der Grundlage von Wilsons 14 Punkten zu schließen, wenn Deutschland vorher seine Truppen aus den besetzten Gebieten abzog. Der Abgeordnete Matthias Erzberger übertraf sich selbst mit der ebenso dummen wie falschen Aussage, er bräuchte nur zwei Stunden mit Lloyd George zu reden und der Friede sei perfekt, worauf ihn die neue Regierung zum Chef der Waffenstillstandskommission machte. Hindenburg prostestierte, dass sei wohl das erste Mal in der Kriegsgeschichte, dass Waffenstillstandsverhandlungen von Zivilisten geführt würden, aber die neue Regierung hielt an Erzberger fest und machte Stimmung gegen die Militärs, sie wollten sinnlos an einem „Siegfrieden“ festhalten und wären einem „Verständigungsfrieden“ mit der Entente im Weg.
Erzberger fuhr nun mit seiner Waffenstillstandskommission nach Compiegne und sah sich schon als großen Retter Deutschlands, der nun den Frieden schließt, und als er dann anfangen wollte die Waffenstillstandsbedingungen zu erörtern, wies Foch den völlig überraschen Erzberger zurecht, daß er nicht mit ihm verhandeln werde, sondern ihm die Bedingung erläutern werde unter denen die Entente bereit wäre, den Deutschen Frieden zu gewähren. Der verdutzte Erzberger teilte dem ebenso überraschen Ebert dann fernmündlich mit, was los war und Ebert, dem so langsam dämmerte, daß Max v. Baden ihn über den Tisch gezogen hatte, schickte allen Ernstes Noske zu Hindenburg mit der Anfrage, ob die Reichswehr den Kampf wieder aufnehmen könne. Hindenburg erklärte ihnen dann, daß das möglich gewesen wäre, wenn man im neutralen Holland verhandelt und die Truppen – wie das seit Jahrhunderten in Kriegen üblich war – WÄHREND der Waffenstillstandsverhandlungen da hätte stehen lassen wo sie waren, anstatt sie EINSEITIG abzuziehen.
Das alles verschweigt „History“ natürlich lieber.
Stattdessen macht man aus Hindenburg und Ludendorffs dann eine Art „Richelieus“ die angeblich den Politikern und der „Revolution“ die Schuld an der Niederlage anhängen wollten, was sie gar nicht gesagt haben. Auch Hindenburg hat in dem Untersuchungsausschuß zu diesem Thema die Frage, ob er glaube, daß die Revolution, die militärische Niederlage verursacht hat mit „NEIN“ geantwortet. (Hindenburgs diskrete Andeutungen in Sachen „Schlußstein“ wollte der Untersuchungsausschuß dann ja lieber nicht näher erläutert haben, das hat Ludendorff dafür später umso ausführlicher besorgt.)
Es ist richtig, daß Ludendorff immer wieder von Dolchstoßpolitik sprach, aber in einem etwas anderen Zusammenhang. Er meinte damit, daß in der für Deutschland gefährlichsten Zeit, die Politik die OHL nicht unterstützt hätte, sondern ihr in den Rücken gefallen wäre. Für die militärische Niederlage hat Ludendorff die Politik niemals verantwortlich gemacht, sondern IMMER darauf hingewiesen, daß der Krieg ab August nicht mehr für Deutschland zu gewinnen war aufgrund der großen militärischen Übermacht, die die Entente durch den Kriegseintritt der USA erhielt.
Der Dolchstoß, Hans Delbrück und Oberst Bauer
Mit zu der ganzen Verwirrung beigetragen hat zweifellos der Historiker und Ludendorff-Feind Hans Delbrück, der unmittelbar nach Ende des 1. Weltkrieges Ludendorff heftig attackierte, in einer Weise, die kaum als objektiv bezeichnet werden kann, tituliert Delbrück Ludendorff ua als „politischer Kindskopf“ und „wahnsinnig gewordener Kadett“ (wobei man fairerweise hinzufügen muss, dass Delbrück auch die Entente-Offiziere nicht gerade besonders schmeichelhaft zeichnet).
In seiner Abrechnung mit Ludendorff in Schriften wie „Ludendorff, Tirpitz, Falkenhayn“ oder „Ludendorffs Selbstporträt“ – von manchen Zeitgenossen als „Hinrichtung“ bezeichnet – entwickelt Delbrück nicht nur recht merkwürdige Gedankengänge – so impliziert er ganz nebenbei, dass Moltke und Ludendorff bei ihren Erfolgen von Delbrücks Forschungen über Hannibal und Cannae beeinflusst wären (in diesem Fall müßte sich Delbrück ja eigentlich selbst beschimpfen) und Delbrück schießt schließlich den Vogel ab, als er allen ernstes verkündet – wenn auch äußerst gewunden formuliert – daß wenn die Revolution nicht dazwischen gekommen wäre, die Möglichkeit des Weiterkampfes nicht ausgeschlossen war !
Auf diese ebenso grandiose wie dämliche Formulierung hat sich dann Oberst Bauer gestürzt und nunmehr Delbrück attackiert in seiner Schrift „Ludendorff oder Delbrück“:
„Auch Herr Delbrück vermag sich der Wahrheit nicht mehr zu entziehen, daß wir 1918 weiter kämpfen konnten…Den Mut der Überzeugung hat er nicht, um auch einzugestehen, daß sonach nur die Revolution mit all ihren Begleiterscheinungen die Schuld am verlorenen Kriege trägt, daß also tatsächlich das Heer von der Heimat, richtiger gesagt, von den Revolutionsmachern erdolcht ist.“
Bauer gehen hier eindeutig alle Gäule auf einmal durch, auch wenn ihm Delbrück natürlich eine unglaubliche Vorlage geliefert hat.
Ludendorff hat selbst immer wieder schriftlich und mündlich – seit 1919 . erklärt, dass der Krieg militärisch nicht mehr zu gewinnen war. Ludendorffs Vorwurf an die Politik, dem Heer einen Dolchstoß in den Rücken versetzt zu haben, bezog sich auf das Verhalten der Politik bei den Wehrvorlagen VOR dem 1. Weltkrieg und das schäbige Verhalten von Politkern des KAISERREICHES und der „Revolution“ während der Waffenstillstandsverhandlungen und den Friedensverhandlungen von Versailles und Ludendorff hat da ganz konkrete Beispiele gebracht. Die Darstellung von Oberst Bauer, die von unkritischen Sekundär-Literatur-Aposteln übernommen wurde hat Ludendorff niemals unterstützt, sondern IMMER betont, dass durch die zahlenmäßige Überlegenheit der Entente-Truppen sowie den Angriffen von Foch ab Juli 1918, der Krieg ab 1918 militärisch nicht mehr zu gewinnen war. Und das kann nun wirklich jeder in Ludendorffs Kriegserinnerungen nachlesen, die es noch immer in genügender Anzahl in Antiquriaten original zu kaufen gibt.
Ludendorff (1935):
„Der Krieg war im Juli 1918 nicht mehr zu gewinnen, es ist dies in meinen Kriegserinnerungen nachzulesen…Wenn ich von Dolchstoß spreche, so meine ich die ganze Zeit nach 1900, vor allem die Sabotierung meiner Arbeit im Generalstab.“
Bemerkenswert an Hindenburg und Ludendorffs Verhalten ist, dass sie sofort, als ihnen klar wurde, daß der Krieg nicht mehr zu gewinnen war – Anfang August 1918 – bei der Politik auf Friedensverhandlungen drängten. Hindenburg und Ludendorff argumentierten immer wieder, wie wichtig es war den Krieg von deutschem Gebiet fernzuhalten, einmal um der Deutschen Zivil-Bevölkerung den Krieg im eigenen Land zu ersparen – zum anderen um die besetzten Gebiete als Trumpfkarte in den Verhandlungen einsetzen zu können.
Hindenburg und Ludendorff stehen damit in der Geschichte ziemlich allein da, man muß sich nur einmal ansehen, wir skrupellos es Hitler, Stalin oder Clemenceau hinahmen, daß ihr eigenes Land in Fetzen geschossen wurde und Millionen Menschen auf den Schlachtfeldern verheizt wurden in der Hoffnung, der Feind werde vor ihnen verbluten (auch Falkenhayns Strategie bei Verdun).
Selbst Rathenau forderte noch in den letzten Kriegstagen eine „levee en masse“, dh er wollte allen Ernstes militärisch nicht ausgebildete Zivilisten bewaffnen und an die Front schicken, was Ludendorff als ein völlig sinnloses Blutbad zurückwies.
Und ein Dr. Goebbels hielt noch Ansprachen im Rundfunk über den bevorstehenden Endsieg, als die Russen schon vor Berlin standen.
Hindenburg und Ludendorff haben dagegen SOFORT als ihnen klar wurde, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war auf Friedensverhandlungen gedrängt. Man vergisst auch gerne, dass es die POLITIKER und nicht die Militärs sind, die Kriege anfangen und beenden. Die Militärs führen den Krieg mit dem Auftrag der Politik den Krieg zu GEWINNEN. Es gibt keinen General in der Geschichte der Menschheit, der von seiner Regierung in einen Krieg geschickt wird mit dem Auftrag mal so ein bißchen rumzuoperieren und vielleicht auch zu gewinnen. JEDER Oberbefehlshaber zieht mit dem Auftrag in den Krieg, den Krieg für sein Land zu gewinnen.
Als der Krieg 1918 für Deutschland nicht mehr zu gewinnen war, haben Ludendorff und Hindenburg die Politik restlos aufgeklärt. Warum die Politik nachdem sie von Kaiser Wilhelm am 14. August 1918 den Auftrag erhielt, Friedensverhandlungen über die Königin der Niederlande (die sich gegenüber Wilhelm dazu bereit erklärte hatte) einzuleiten, untätig blieb und diese Option – gemeinsam mit Kaiser Karl – sogar regelrecht sabotierte, sollte mal endlich geklärt werden, anstatt Hindenburg und Ludendorff anhand von zwielichtiger Sekundärliteratur Dinge zu unterstellen, die sie so nachweislich gar nicht gesagt haben, nachzulesen eben in Ludendorffs „Meine Kriegserinnerungen“ von 1919. Wenn G. Knopps „History“ Team mal auf die Idee kommt, sich dieses Buch näher anzusehen, lernen sie vielleicht auch endlich mal, dass Ludendorff kein „von“ Ludendorff war.